1905 Small Projects for Coming Communities (weiterführender Link)

Über das Projekt (Auszug des auf der Website veröffentlichten Textes des on-curation Projektes)

Die Kleinen Projekte für kommende Gemeinschaften (Small Projects for Coming Communities) beschäftigen sich mit der Frage, wie und wo sich Formen von Gemeinschaften auf unvorhersehbare Weise entwickeln können und versuchen, überregionale Gemeinschaften zu gestalten. Wir interessieren uns für die ephemeren Strukturen und transversalen Rahmenbedingungen von Gemeinschaften, für ihre sich immer wieder wandelnden Wunschvorstellungen, aber wir reflektieren auch über die Grenzen dieser fragilen Formationen.

Kommende Gemeinschaften
Auf theoretischer Ebene bezieht sich das Projekt auf Diskussionen über mögliche Gemeinschaften nach dem Ende der großen Utopien. Die Hauptbeiträge dazu sind die Bemühungen zur Dekonstruktion des Gemeinschaftsbegriffs (Jean-Luc Nancy, Maurice Blanchot, Giorgio Agamben, Roberto Esposito, Slavoj Zizek, Judith Butler und Gayatri Chakravorty Spivak aus feministischer und postkolonialer Sicht).
Die Diskussion über Gemeinschaften in den letzten Jahren stellte den Begriff unter bestimmten Bedingungen in Frage, wie die Unvermeidliche Gemeinschaft (Maurice Blanchot), die Inoperative Gemeinschaft (Jean-Luc Nancy) oder die Kommende Gemeinschaft (Giorgio Agamben). Sehnsucht und skeptische Analysen treffen in diesen Konzepten aufeinander.
Das Oncurating Journal veröffentlichte Issue 7 zu diesen Themen (siehe hier.)

“Bemühungen um eine Dekonstruktion des Gemeinschaftsbegriffs, die ausgehend von einer Diskussion zwischen Jean-Luc Nancy und Maurice Blanchot über Frankreich hinaus auch im italienischen Sprachraum vor allem bei Giorgio Agamben und Roberto Esposito fortgesetzt wurden. Spätestens mit der Übersetzung von »singulär plural sein«, dem eigentlichen thematischen Hauptwerk von Nancy, ist es auch im deutschsprachigen Raum zu einer Wiederauflage der Diskussionen um den Begriff der Gemeinschaft, wenngleich unter anderen Vorzeichen und mit anderen Konnotationen, gekommen. Über dieses Feld hinaus lässt sich aber noch ein weiterer Diskussionsstrang ausmachen, der sich in letzter Zeit Phänomenen der Gemeinschaft genähert hat. So hat insbesondere der slowenische Philosoph Slavoj Zizek dazu beigetragen, die Debatte um Gemeinschaft mit psychoanalytischen und kulturtheoretischen Überlegungen zur Figur des Imaginären zu verknüpfen und sich bemüht die Charakteristika der Gemeinschaftsbildung ausgehend von einem konstitutiven Moment des Imaginären bzw. des Phantasmatischen neu zu beschreiben.”
(Auszug aus einem Text von Dorothee Richter und Lars Gertenbach.)

 

Scores (Partituren)
Das Projekt schlägt einen direkten und konkreten Kontakt durch die zeitgenössische Kunstpraxis der sogenannten Scores vor. Partituren sind in der Musik bekannt als eine schriftliche Notation, zum Zweck der Aufführung eines Musikstücks durch Interpreten. Schon in der Musik sind unübliche grafische Elemente zur Notation von Partituren verwendet (z.B. Cornelius Cardew). Fluxus-Künstler wie George Brecht erfanden sogenannte Event Scores (Event-Partituren). Ein Event Score kann als Notation (als Gedicht oder als Anweisungstext) beschrieben werden, um eine beliebige performative Aktivität auszuführen/zu realisieren/ zuinszenieren. Auf dieser Methode baut unsere Vision der Small Projects for Coming Communities.
Wir sehen dieses Projekt daher als eine Aktivierung des politischen Bewusstseins auf vielen Ebenen. Eine Score (Partitur) zu realisieren, ist für uns eine politische Form des Denkens, eine Form, die nicht mit Repräsentationsmacht verbunden ist, sondern mit einer direkten Aktivierung und Reflexion einer/s jede/n Einzelnen. Das Vorhaben strebt danach, Empathie, kulturellen Austausch und Beziehungen zu schaffen. Veränderung ist nur ein Gedanke entfernt. Scores können helfen, sich Veränderung vorzustellen.
Die Scores (Partituren), die Sie auf dieser Website finden, können in ihrem Umfang variieren: Einige mögen Gedanken erwecken, andere fragen nach einer performativer, literarischer, musikalischer und künstlerischer Aktion, einige geben Anweisungen zu Übungen und Gruppenaktivitäten, und die umfangreichsten entwickeln Kooperationsprojekte in größerem Umfang.

Realisierungen
Wir ermutigen jeden, diese Scores (Partituren) für sich selbst zu realisieren. Die Realisierungen können direkt über diese Website hochgeladen werden. Unter jedem einzelnen Score gibt es eine Upload-Funktion, die einlädt die eigenen Realisationen zu teilen.

Projektentstehung
Small Projects for Coming Communities ist ein fortlaufendes Recherche-, Workshop- und Ausstellungsprojekt zum Thema Gemeinschaft. Es wurde initiiert von Dorothee Richter und Ronald Kolb im März 2018 im Zusammenhang einer Kooperation des Katholischen Bildungswerks in Stuttgart. In mehreren Workshops mit den Künstler*innen Jeanne von Heeswijk, Discoteca Flaming Star, Bill Dietz, Florian Model (anorak e.V), Sabrina Karl, Eva Dörr und Anike Joyce Sadiq und Künstler*innen und Beteiligten aus Zürich (Studierende des Postgraduate Programme in Curating, Züricher Hochschule der Künste und Studierende der Bildenden Künste, Zürcher Hochschule der Künste) wurden Vorträge und Präsentation organisiert und eine intensive Diskussion geführt zu den Fragen von Gemeinschaft. Eine Wissens- und Aktionsgemeinschaft entstand mit dem Ziel, auf bestehende Gemeinschaften einzuwirken.

Projektverlauf
Das Projekt beabsichtigt zu reisen. Wir werden verschiedene Scores für Ausstellungen und Workshops verwenden und möchten den Pool an Scores auf unseren Reisen erweitern, indem wir neue Bekanntschaften knüpfen und andere Perspektiven finden.

Eva Dörr